Der Sonnenschutz der DNA
07.12.2015
UV-Strahlung zählt zu den häufigsten Ursachen für Schäden an unserem Erbgut. Forscherinnen und Forscher der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) und der Universität Bristol, Großbritannien, haben nun erstmals beobachtet, was in DNA-Bausteinen passiert, wenn sie mit ultraviolettem Licht angeregt werden und wie sie sich dabei vor ihrer Zerstörung schützen. Die Ergebnisse zeigen: Mit der aufgenommenen Energie setzen die Moleküle eine völlig ungefährliche Reaktion in Gang, die Veränderungen der Gene verhindert. Die Studie erscheint in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift Angewandte Chemie.
In unserer DNA treten die Basen Adenin, Guanin, Cytosin und Thymin auf.
Mit ultrakurzen Lichtblitzen schossen die Chemikerinnen und Chemiker auf
mit UV-Licht angeregte Basenpaare aus Guanin und Cytosin. Nur mit Hilfe
dieser als Femtosekundenspektroskopie bezeichneten Methode konnten sie
den schützenden molekularen Mechanismus offenlegen. Denn dieser spielt
sich innerhalb weniger Billiardstel Sekunden ab.
In dem sogenannten elektronengetriebenen Protonentransfer-Prozess
(EDPT) wird ein Wasserstoff-Atom innerhalb der Molekülverbindung
verschoben. Das Basenpaar kehrt daraufhin aber durch den gleichen
Vorgang sofort wieder zur Ausgangsstruktur zurück. „Die Natur nutzt die
Reaktion, um die Lichtbeständigkeit des Erbguts um Größenordnungen zu
verstärken – sie ist sozusagen der Sonnenschutz der DNA“, sagt Professor
Friedrich Temps, Leiter des Kieler Forschungsteams vom Institut für
Physikalische Chemie. „Die DNA-Bausteine selbst entlasten dadurch die
enorm aufwändigen und nur sehr langsamen aktiven Reparaturmechanismen
der Zellen durch Enzyme, für deren Entdeckung in diesem Jahr gerade der
Nobelpreis für Chemie verliehen wurde. Ohne die von uns beobachteten
passiven Prozesse wären die aktiven Reparaturmaschinen der Zellen
hoffnungslos überlastet“, ergänzt Professor Andrew Orr-Ewing, Leiter des
Teams in Bristol.
In einigen Fällen gelingt es dem Basenpaar jedoch nicht, zur
Ausgangssituation zurückzukehren. Hier führt der EDPT dazu, dass zwei
Wasserstoffatome verschoben werden. „Das Produkt könnte eine mutagene
Vorstufe sein und zu Schäden an der DNA führen“, erklärt Dr. Katharina
Röttger von der englischen Arbeitsgruppe, die in Kiel ihren Doktortitel
erhielt. Was allerdings mit diesem Molekül weiter passiert, müssen
zukünftige Experimente zeigen. „Wir können nur sagen, dass das
potenziell mutagene Molekül den Zeitrahmen unserer Messungen von einer
Nanosekunde (= eine Milliardstel Sekunde) überlebt“, sagt Röttger.
Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler wollen nun herausfinden, ob
die gleichen Prozesse auch in einem langen DNA-Strang passieren.
Kompliziert machen dieses Unterfangen aber die vielen Wechselwirkungen
innerhalb und zwischen den Molekülen und in den Wasserstoffbrücken. Oft
werden extrem schnelle Reaktionen von langsameren überdeckt. Professor
Temps und Professor Orr-Ewing sind zuversichtlich, dass die
Analysewerkzeuge ihrer Arbeitsgruppen bald so weit sein werden, auch
dieses Rätsel zu lösen.
Originalpublikation
K. Röttger, H. J. B. Marroux, M. P. Grubb, P. M. Coulter, H. Böhnke, A.
S. Henderson, M. C. Galan, F. Temps, A. J. Orr-Ewing, G. M. Roberts,
"Ultraviolet Absorption Induces Hydrogen-Atom Transfer in G?C
Watson-Crick DNA Base Pairs in Solution", Angew. Chem. Int. Ed. 54,
(2015). DOI: 10.1002/anie.201506940
Link: http://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1002/anie.201506940/abstract